Zeit und Geld für erlebnisreiche Reisen sind ein Wunschtraum vieler deutscher Bürger*innen. Und gerade nach Corona will bestimmt so manche/r die Zeit anhalten und diese in vollen Zügen genießen. Die Zeit anzuhalten ist physikalisch freilich unmöglich, sie zu verlangsamen jedoch durchaus machbar.
Die Zeit verlangsamen?! Wie geht das? Braucht es dazu womöglich Superkräfte?
Mitnichten.
Als Faustregel gilt: Je weniger Neues wir erleben, desto kürzer erscheint uns später die Zeit.
Was zunächst paradox klingen mag, lässt sich folgendermaßen erklären: Kürzere Zeitspannen von bis zu einem Jahr haben Proband*innen einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München gleichmäßig schnell empfunden. Für längere Abschnitte (10 Jahre und mehr) gilt dies allerdings nicht, das Zeitempfinden der älteren Proband*innen war hinsichtlich dieser längeren Lebensabschnitte kürzer; und diese gefühlte Lebensbeschleunigung beginnt bereits mit dem Teenageralter „und (… ist) seitdem stets zügiger vergangen“.
Nun erkannte schon Albert Einstein, „dass das Zeitgefühl nicht immer mit der tatsächlich verstrichenen Zeit übereinstimmt“. Entdecken wir vielleicht etwas für uns Neues oder macht uns etwas ausgesprochen viel Spaß, dann vergeht die Zeit gefühlt sehr schnell. Bei einem Ritt auf meinem Mountainbike etwa vergeht die Zeit wie im Flug (nicht zu vergleichen mit einer Freitagsnachmittagsbesprechung zum Thema bibliothekarische Formal- und Sacherschließung).
In der Rückschau betrachtet dreht sich dieses Gefühl jedoch um; und das Gehirn verknüpft diese Zeitspanne mit vielen neuen Aufregungen, die es zu sammeln und zu speichern gilt. Und je mehr neue Speicherinhalte abgelegt worden sind, desto länger hat das Ereignis im Nachhinein gedauert.
Dieses Phänomen ist wissenschaftlich erwiesen und beantwortet auch die Frage, weshalb uns unsere Kindheit und Jugend als langer Zeitraum in Erinnerung bleiben, andere Lebensphasen jedoch, in denen wir großenteils Routine und weniger Neues erleben, weitestgehend verblassen.
Um zu unserer eingangs gestellten Frage zurückzukehren: Die Zeit zu verlangsamen ist eigentlich ganz einfach. Es gilt, neue Dinge auszuprobieren und dauerhaft neue Erfahrungen zu machen. Neu erlernte Fähigkeiten halten das Gehirn auf Trab und helfen dabei, Alltagsroutinen zu durchbrechen.
Tempus fugit, velut umbra.
Steffen Sieboth
Anmerkung (Foto Quellenangabe): „London time – canon t2i“ by @Doug88888 is licensed with CC BY-NC-SA 2.0. To view a copy of this license, visit https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/