Im vergangenen Jahrzehnt hatten Bibliotheken oftmals eine Vorreiterfunktion bezüglich der Stadtentwicklung inne, sichtbar etwa bei Stuttgart 21, den Idea Stores im Londoner Problemviertel Tower Hamlets und dem Dokk1 in Aarhus. Alle genannten Beispiele spielen auch eine zentrale Rolle in der Stadterneuerung. Darüber hinaus wird im dänischen Aarhus der digitale Wandel der Gesellschaft durch beispielsweise offene Angebote zur Erprobung neuer Technologien begleitet und auf die Spitze getrieben, sodass die FAZ in ihrem Beitrag zur Bibliothek der Zukunft nicht umhin kommt, provozierend zu fragen Und wo sind hier die Bücher?.
In Dänemark weist seit 1920 ein Bibliotheksgesetz den Weg in die Zukunft, indem es jeder Kommune die Unterhaltung einer Öffentlichen Bibliothek vorschreibt. Im Dokk1 sind Bücher zwar keine Randerscheinung, spielen jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle. Alles dreht sich um Kommunikation, um Dienstleistungen und vor allem um Integration. Im Eingangsbereich empfangen Informationsschalter und Bildschirme statt Bücherregale. Borgerservice steht auf großen Schildern. Das hat nichts mit Ausborgen oder Entleihen zu tun, sondern verweist auf die Möglichkeit, hier Bürgerservices wie Passerneuerungen oder Wohnanmeldungen in Anspruch zu nehmen. Seit einigen Jahren findet in Dänemark alle Behördenkommunikation nur noch digital statt. Wer zu alt, zu unerfahren oder ohne Netzzugang ist, findet hier in der Bibliothek persönliche Ansprechpartner, kann sich informieren und schulen lassen (Quelle).
An Konsolen zu zocken und auf digitalen Fußballplätzen zu hüpfen ist ebenso normal, wie an Nähmaschinen, 3D-Druckern, in Maker Spaces oder im Tonstudio zu arbeiten.
Sprichwörtlich steht hier das von Richard David Lankes, Hochschullehrer der Universität South Carolina und durch Publikationen und Vorträge in Fachkreisen auch hierzulande bekannt, geforderte Engagement für eine bessere Community im Vordergrund der bibliothekarischen Arbeit (Lankes weist Bibliotheken explizit diesen generellen Auftrag zu: die Verbesserung der Gesellschaft).
Die Bibliothekar*innen des Dokk1 sind keine introvertierten Leseratten, sondern Kommunikationsexpert*innen. Sie gehen umher und sprechen die Menschen an, unterstützen deren Ideen. Mitglieder der Bibliothek sollten unbedingt ihre eigene Expertise mit einbringen, sich aktiv und gemeinschaftlich an der Wissensgenerierung der Community beteiligen.
Dieses Sich-darauf-Einlassen und Investieren lohnt sich, denn das Return of Investment beträgt 1 zu 5 und mehr (Hans-Christoph Hobohm im Vorwort zu Richard David Lankes Erwarten Sie mehr! Verlangen Sie bessere Bibliotheken für eine komplexer gewordene Welt, Seite 16).
Die Transformation der Goslarer Stadtbibliothek hin zu einem offenen und modernen Komplex inmitten des Kulturmarktplatzes läuft auf Hochtouren und wird in diesem Jahr wohl abgeschlossen sein. Darauf freuen wir uns gemeinsam mit Ihnen.
In diesem Sinne und tschüss, wenn Sie möchten
Steffen Sieboth