… eine Buchvorstellung zu Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse (ISBN 978-3-446-26419-9)
Die positiven Aspekte menschlicher Erfahrungen wie Freude, Kreativität und der Prozess vollständigem Einsseins mit dem Leben werden in der Psychologie als flow bezeichnet. Das Duden Universalwörterbuch schreibt von einem Zustand höchster Konzentration und völliger Versunkenheit in eine Tätigkeit, die Wikipedia wiederum von einem Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch respektive Tätigkeitslust. Kopf und geistiger Schöpfer hinter dieser Theorie ist der gebürtige Ungar und ehemalige Universitätsdozent mit dem Zungenbrechernamen Mihaly Csikszentmihalyi.
Flow lässt sich beinahe überall erfahren: Beim Schreiben, Handwerken, Laufen, Rudern, Klettern oder auch beim Mountainbiken. Selbst auf der Arbeit. Entscheidend dabei ist, dass die auszuführende Tätigkeit eigenmotiviert, also aus einer positiven, inneren Einstellung heraus, vollzogen wird.
Und natürlich kann uns auch das Lesen in einen flow-artigen Zustand versetzen. Mehr noch: Regelmäßige Bücherleser erleben sogar häufiger Flow, wie Forscher des Allensbacher Instituts für Demoskopie bereits um die Jahrtausendwende herausgefunden haben wollen.
Eine These, der ich gerne zustimmen möchte. Als leidenschaftlicher Mountainbiker bin ich ja einerseits immer auf der Suche nach Flow, andererseits erfahre ich ihn auch relativ häufig. Doch in mein zuletzt gemachtes Leseerlebnis schlitterte ich, obgleich Vielleser und Bibliothekar, ohne jede Vorwarnung.
Was war geschehen?: Ich verschlang einen Gutteil des 459 Seiten umfangreichen SPIEGEL-Bestsellers Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens; unglaublich, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und mehr oder weniger unbeabsichtigt mehrere Stunden meiner mehr als knapp bemessenen Zeit in puren Lese-Flow investiert. Völlig zu Recht rangiert das Buch seit mittlerweile 57 Wochen auf der Bestsellerliste (derzeit auf Rang 4, Stand 24.08.2020) und hat mit dem Marschmädchen Kya ganz beiläufig eine neue Ikone, vergleichbar mit Mark Twains Huckleberry Finn, erschaffen.
Wie so oft fiel mir dieses Buch nur deshalb in die Hände, weil ich mir die Zeit genommen habe und unsere Regale abgegangen bin. Dieses Prinzip, die Medien persönlich in Augenschein zu nehmen, nennt sich Autopsie. Der Titel des Buches war mir wegen zahlreicher Leser*innen-Anfragen natürlich geläufig, doch irgendwann war er aus meinem Gedächtnis verschwunden, zumal das Buch immer wieder entliehen war. Daher mein Tipp an Sie: Nehmen Sie sich genügend Zeit und schauen Sie direkt am Regal oder nutzen Sie die praktische Vorbestellfunktion in unserem Katalog.
Panta rhei
Steffen Sieboth