… eine Buchvorstellung zu George Saunders: Fuchs 8 (ISBN 978-3-630-87620-7)
Ein Déjà-vu-Erlebnis ist eine Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes schon einmal gesehen oder erlebt zu haben (Quelle: DUDEN Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe, abgerufen via Munzinger Online).
Und womöglich hatten auch Sie nach dem Lesen des Anreißertextes und der zunächst etwas unsinnig wirkenden Überschrift zu diesem Blogbeitrag Tatsache das Gefühl, Ähnliches an gleicher Stelle bereits vernommen zu haben?! That’s right. Ihr Gefühl täuscht sie nicht und Sie liegen völlig richtig.
Denn was folgt ist eine weitere Buchvorstellung, diesmal jedoch zu einem ernsten Buch, nur scheinbar für Kinder gemacht.
Dessen Autor George Saunders genießt in den USA Kultstatus, seine Geschichten gehören zum Besten und zum Verstörendsten, was die us-amerikanische Literatur derzeit zu bieten hat: Mal rührend, oft ablehnend, aber irgendwie auch immer sehr lustig, wie der FOCUS befindet.
Amüsierendes Vokabular (beispielsweise Alfa-Bett statt Alphabet, Elkawes statt LKWs, Kruppenmiting statt Gruppenmeeting, kul statt cool, Trongs statt Trance, Heppi Ent statt Happy End, Mo Mänt statt Moment usw.) und ein naiv-kindlicher Ton gehen Hand in Hand und stehen doch in einem ausgesprochenen Gegensatz zur Ernsthaftigkeit dieser Geschichte.
Deren Held und Erzähler ist Fuks 8, der durch ein Geschichtenfenster einen Blick auf die Mänschen warf und ihnen so lange zuhörte, bis er ihre Sprache sprechen konnte. Später dann schreibt er angesichts eines schweren Schicksalsschlages einen Brif an die Mänschen (das Buch IST der Brief), obgleich er noch nich perfekk Buchstabiren könne: Die Mänschen können echt arbeiten. Di arbeiten und arbeiten, und irnkwann is ein ganser Walt wek. Wi ham si das gemacht? Das, woran die Menschen arbeiten, ist ein Einkaufszentrum mit dem Namen Fukksblikk Zenter. Ausgerechnet. Und Sie ahnen es wahrscheinlich: Es steht stellvertretend für so Vieles. In gebrochenem Mänschisch sinnt Fuks 8 beinahe schon philosophisch nach über die Zerstörung seines Lebensraumes, über den Tod, über die Klimakatastrophe und über die Möglichkeiten des Verzeihens über alle Grenzen, auch die der Spezies hinweg. Was zunächst als Kinderbuch verkleidet daherkommt, entpuppt sich somit, auch dank der hervorragenden Übersetzung Frank Heiberts, als zeitlose und aktuelle Veröffentlichung über die wirklich großen Themen.
Mit gerade einmal 56 Seiten schafft es das Buch, die Leser*innen zu vereinnahmen; und dies trotz der mangelhaften füksischen Rechtschreibung. Der Widerhall in den Feuilletons der deutschen Tageszeitungen war dementsprechend groß.
Apropos: Ähnlich wie ein Internetkatalog, nur eben zum Thema Literaturbesprechungen, sichtet und wertet das Team des Perlentauchers die Kulturteile auch ausländischer Zeitungen aus und gibt einen Überblick über entsprechende Kritiken. Ein sehr hilfreiches Instrument, um sich im unübersichtlichen Buchmarkt zu orientieren.
Wie so oft möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen, auf unser tolles Datenbankangebot aufmerksam zu machen. Vertiefende Informationen, zum Beispiel eine George-Saunders-Biografie und eine Kindler-Literaturbesprechung zur Erzählsammlung Zehnter Dezember, aber auch die Beiträge des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und die der Süddeutschen Zeitung, erhalten Sie auf Munzinger Online via unsere Internetseiten.
Voll supergut
Steffen Sieboth