… denn beim Lesen vollbringt unser Gehirn Hochleistungen. Es muss in Sekundenschnelle Zusammenhänge bilden und zahlreiche Wahrnehmungs- und Denkfunktionen genau abstimmen. Lesen ist, anders als beispielsweise sehen und sprechen, jedoch nicht angeboren und muss, wie wir alle wissen, vielmehr erlernt werden.
Um lesen zu lernen, funktioniert unser Gehirn nicht nur Areale in der Großhirnrinde, sondern auch evolutionär alte Hirnstrukturen wie den Thalamus und den Hirnstamm, um. Selbst noch im Erwachsenenalter ist unser Gehirn zu solch massiven funktionellen Umstrukturierungen fähig. Diese Eigenschaft der Hirnareale, sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung entsprechend zu verändern, wird Plastizität genannt. Plastizität wiederum ließe sich auch mit Variabilität übersetzen, denn der evolutionäre Prozess unseres Gehirns ist natürlich niemals abgeschlossen.
Heutzutage laufen wir besonders im Internet Gefahr, uns ablenken zu lassen. Denn Lesen und Lernen im Internet ist anders als im Buch. Das liegt zuallererst an der Beschaffenheit digitaler Texte. Links, die (eigentlich) große Stärke des Internet, können ablenken! Selbst dann, wenn man ihnen nicht folgt! Links verbrauchen Ressourcen. Wörter, die als Link markiert sind, vergrößern die Pupille, ein Indikator für kognitive Belastung. Wie genau das alles miteinander verknüpft ist, muss jedoch erst noch erforscht werden.
Vielen Menschen, die hauptsächlich am Bildschirm arbeiten, fällt es zusehends schwerer, lange Texte auf Papier konzentriert zu lesen (mich eingeschlossen). Digitale Texte sind auf schnelles Lesen ausgelegt (beispielsweise mittels Suchfunktion Strg + F), physisch greifbare Bücher dagegen fördern vertieftes Lesen. Forscher geben zu bedenken, dass sich das Gehirn diesen neuen Lesegewohnheiten anpassen könnte und die Menschen gar einen Teil ihrer Fähigkeit zur Analyse komplexer Fragen verlieren könnten! Nichtsdestotrotz sollten Schüler*innen und Student*innen auch zukünftig das verständnisorientierte Lesen am Bildschirm weiterhin erlernen. Unbestritten dagegen bleibt das Gebot nach Förderung analogen Lesens.
Was nebenbei bemerkt für jede/n einzelne/n Leseratte/Bücherwurm von uns mehr Lebenszeit zur Folge hätte. Bücher lesende Menschen leben im Durchschnitt nämlich fast zwei Jahre länger, wie eine Studie der renommierten Yale-University ergab. Die positiven Auswirkungen des Lesens würden unsere Lebenserwartung steigern: Wer [auch] nur eine halbe Stunde täglich mit dem Lesen eines Buches verbringt, hat einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Nichtlesern. Einziger Haken daran: das Lesen von Zeitschriften und Zeitungen zählt nicht, denn nur beim Lesen eines Buches lässt sich ein Zustand im Flow, das sogenannte Deep Reading (oft auch als Slow Reading bezeichnet) erreichen.
Wir sind zwar bis voraussichtlich Herbst dieses Jahres an das Provisorium in der Turnhalle gebunden, dennoch haben wir immer ausreichend neue Literatur, zum Beispiel in Form der Spiegel Bestsellerliste, für Sie vorrätig. Exakt 5.374 Medien (Stand 25. Februar 2020) haben wir in unserer Kleinen Ausleihe für Sie parat.
Wohlgemerkt: Zwei Jahre mehr Lebenszeit … =)
Steffen Sieboth